C.
Der Verlauf der Unternehmung
1. Bis zum Zusammentreffen mit dem Feind
Der von den
Minensuchformationen westlich der Amrumbank durch die feindlichen
Minenfelder gebahnte Weg führte die Hochseestreitkräfte sicher
in die freie See. Luftschiffaufklärung war zunächst der Wetterlage
wegen nicht möglich.
7,37 Uhr vormittags meldete "U 32" etwa 70 sm östlich des
Firth of Forth 2 Großkampfschiffe, 2 Kreuzer und mehrere Torpedoboote
mit südöstlichem Kurs.
8,30 Uhr nachmittags teilte die F. T.- Entzifferungsstelle Neumünster
mit, daß 2 große Kriegsschiffe oder Verbände mit Zerstörern
aus Scapa Flow ausgelaufen seien.
8,48 Uhr vormittags meldete "U 66", daß es etwa 60 sm
östlich Kinnaird Head 8 feindliche Großkampschiffe, kleine
Kreuzer und Torpedoboote mit nordöstlichem Kurs gesichtet habe. Die
Meldungen gaben kein Bild von den Absichten des Feindes. Die verschiedenartige
Stärke der einzelnen Flottenteile und ihre auseinanderführenden
Kurse ließen einstweilen weder auf ein operatives Zusammenarbeiten,
noch auf ein Vorgehen gegen die Deutsche Bucht, noch auf irgendwelche
Beziehung zu unserer Unternehmung schließen. Die Nachrichten änderten
somit nichts an dem befohlenen Vorhaben, nährten lediglich die Hoffnung,
daß es uns gelingen möchte, einen Teil der feindlichen Flotte
zum Kampf zu stellen.
Zwischen 2 und 3 Uhr nachmittags stiegen nacheinander L 9, L 16, L 21,
L 23 und L 14 zur Fernaufklärung im Sektor Nord bis West von Helgoland
auf. Zur Mitwirkung bei der sich bald darauf entwickelnden Schlacht sind
sie nicht gekommen, haben auch nichts vom eigenen Gros und vom Feinde
gesehen und nichts von der Schlacht gehört, obgleich L 14 nach seinem
Besteck 10 Uhr abends über dem Schlachtfeld gestanden hat.
4,28 Uhr nachmittags meldete das Führerboot der IV. T-Halbflottille,
das von "Elbing" dem westlichen Flügelkreuzer der Marschsicherung
des B. d. A. [Befehlshaber der Aufklärungsstreitkräfte] zur
Untersuchung eines Dampfers entsandt war, etwa 90 sm westlich Bovbjerg
einzelne feindliche Streitkräfte.
Der Feind, 8 Kleine Kreuzer der "Caroline" - Klasse, bog, als er
unserer Streitkräfte ansichtig wurde, sofort nach Norden ab. Die
Kreuzer nahmen die Verfolgung auf.
Hierbei sichtete der B. d. A. 5,20 Uhr nachmittags in westlicher Richtung
zwei Kolonnen großer Schiffe mit östlichem Kurs, wie sich bald
herausstellte: 6 Schlachtkreuzer - 3 "Lions", 1 "Tiger",
2 "Indefatigables" - und leichte Streitkräfte.
Der B. d. A. rief die nördlich von ihm jagende II. A. Gr. zurück
und ging zum Angriff vor. Der Feind entwickelte nach Süden zur Gefechtslinie;
der B. d. A. folgte der Bewegung, die außerordentlich willkommen
war, da sie die Möglichkeit bot, den Feind auf das eigene Gros zu
ziehen, staffelte auf wirkungsvolle Schußentfernung heran und eröffnete
5,49 Uhr nachmittags auf etwa 130 hm das Feuer.
2.Der erste Gefechtsabschnitt:
Das Kreuzergefecht
Das Gefecht wurde auf südöstlichen Kursen geführt. Der
B. d. A. hielt den Feind auf wirkungsvoller Entfernung. Die Batterien
lagen gut am Ziel. Auf allen feindlichen Schiffen wurden Treffer beobachtet.
Bereits 6,13 Uhr nachmittags sank der in der Linie an letzter Stelle stehende
Panzerkreuzer ("Indefatigable") im Feuer von "von der Tann"
unter gewaltiger Detonationserscheinung.
Feuerüberlegenheit und taktischer Stellungsvorteil waren entschieden
auf unserer Seite, bis 6,19 Uhr nachmittags aus nordwestlicher Richtung
ein neuer Verband von 4 oder 5 Schiffen der "Queen Elizabeth "-
Klasse mit beträchtlichem Geschwindigkeitsüberschuß auflief
und auf etwa 200 hm beginnend in das Gefecht eingriff.
Hierdurch wurde die Lage unserer Kreuzer kritisch. Der neue Gegner schoß
bemerkenswert schnell und gut, letzteres um so mehr, als er fast keine
Gegenwirkung fand und finden konnte.
6,26 Uhr nachmittags betrug die Gefechtsentfernung zwischen den beiderseitigen
Panzerkreuzern etwa 120 hm, zwischen unseren Panzerkreuzern und den "Queen
Elizabeths" etwa 180 hm.
Von den Flottillen des B. d. A. befand sich zu dieser Zeit nur die IX.
T-Flottille in Angriffsstellung. Der II. F. d. T. Kommodore Heinrich auf
"Regensburg" und einige Boote der II. T-Flottille standen, mit
äußerster Kraft aufdampfend, etwa querab von der Spitze des
B. d. A.; die Kreuzer der II. A. Gr. mit dem Rest der T-Flottillen waren
von den "Queen Elizabeths" zum Ausholen nach Osten gezwungen
und hatten deshalb trotz äußerster Beanspruchung der Maschinen
ihren Posten an der Spitze der Panzerkreuzer noch nicht erreichen können.
Der II. F. d. T. befahl, der Lage entsprechend, der IX. T-Flottille, deren
Chef, Korvettenkapitän Goehle, bereits aus eigener Entschließung
zum Angriff ansetzte, zur Entlastung der Panzerkreuzer vorzugehen.
Die IX. T-Flottille lief gegen 6,30 Uhr nachmittags in schwerem feindlichen
Feuer zum Angriff an. Es fielen 12 Torpedoschüsse auf die feindliche
Linie auf Entfernungen von 95 bis 80 hm. Den Angriff näher an den
Feind heranzutragen war unmöglich, da gleichzeitig mit der IX. T-Flottille
15 bis 20 englische Zerstörer, gedeckt durch Kleine Kreuzer, zum
Gegenangriff und zur Abwehr unserer Torpedoboote anliefen. Es kam zum
Torpedobootskampf auf nächste Entfernung (1000 bis 1500 m). "Regensburg"
mit den bei ihr befindlichen Booten der II. T-Flottille, und die M. A.
[Mittelartillerie] der Panzerkreuzer griffen in den Kampf ein. Der Feind
drehte nach etwa 10 Minuten ab.
Auf unserer Seite sanken infolge Treffer schweren Kalibers "V 27"
und "V 29". Die Besatzungen beider Boote wurden von "V
26" und "S 35" im feindlichen Feuer geborgen.
Auf feindlicher Seite wurden zwei, vielleicht auch drei Zerstörer
zum Sinken gebracht, zwei weitere so schwer beschädigt, daß
sie liegen blieben und später dem Gros zum Opfer fielen. Der Feind
machte keinen Versuch, die Besatzungen seiner Boote zu bergen. Während
des Torpedobootsangriffs hielt die I. A. Gr. mit der schweren Artillerie
die englischen Panzerkreuzer wirkungsvoll fest und staffelte gleichzeitig
mit Erfolg vor den in großer Zahl von der IX. T-Flottille bemerkten
feindlichen Torpedos ab.
Gegen 6,30 Uhr nachmittags wurde auf dem dritten feindlichen Panzerkreuzer
("Queen Mary") eine gewaltige Detonation beobachtet. Als die
Sprengwolke in sich zusammensank, war der Kreuzer verschwunden. Ob die
Vernichtung durch die Artillerie oder einen Torpedo der Panzerkreuzer
oder einen Torpedo der IX. T-Flottille erfolgte, muß dahingestellt
bleiben, wahrscheinlich ist sie das Werk der Artillerie.
Auf jeden Fall hatte der Angriff der IX. T-Flottille den Erfolg, daß
das Feuer des Feindes zeitweilig aussetzte. Dieses benutzte der B. d.
A. dazu, die Panzerkreuzer durch Schwenkung auf nordwestlichen Kurs zu
führen und sich so die Führung an der Spitze der Kreuzer in
dem neuen Gefechtsabschnitt zu sichern. Unmittelbar nach dem Torpedobootsangriff
war nämlich das deutsche Gros auf dem Kampfplatz erschienen, gerade
rechtzeitig, um den Aufklärungsstreitkräften im Kampfe gegen
erhebliche Übermacht Hilfe bringen zu können.
3. Der zweite Gefechtsabschnitt:
Die Verfolgung
Das Gros in K 312 Flottenflaggschiff an der Spitze des I. Geschwaders
auf Nordkurs mit 14 sm Fahrt marschierend - Schiffsabstand 7 hm, Geschwaderabstand
35 hm, die Torpedoboote als U-Boots-Sicherung um die Geschwader, die kleinen
Kreuzer als Marschsicherung um das Gros verteilt - erhielt 4,28 Uhr nachmittags
etwa 50 sm westlich Lyngvig die erste Nachricht über das Sichten
feindlicher leichter Streitkräfte und 5,35 Uhr die erste Meldung,
daß starke Streitkräfte gesichtet seien. Der Abstand zwischen
B. d. A. und dem Gros betrug zu dieser Zeit etwa 50 sm.
Auf die Meldung hin wurde zur Gefechtslinie K 312 aufgeschlossen und
"Klar Schiff zum Gefecht" befohlen. Die 5,45 Uhr nachmittags
eingehende Meldung des B. d. A., daß er auf südöstlichem
Kurs im Gefecht mit 6 feindlichen Panzerkreuzern stünde, zeigte,
daß es gelungen war, einen Teil des Feindes zu stellen und kämpfend
auf unser Gros zu ziehen.
Aufgabe des Gros war es nunmehr, den materiell schwächeren Panzerkreuzern
so schnell wie möglich Entlastung zu bringen und, wenn möglich,
dem Gegner einen voreiligen Rückzug zu verlegen. Ich ging deshalb
6,05 Uhr auf Kurs Nordwest und 15 sm Fahrt und eine Viertelstunde später
auf Kurs West, um den Feind zwischen zwei Feuer zu bringen. Während
das Gros noch in der Kursänderung war, meldete die II. Aufklärungsgruppe
das Eingreifen eines englischen Linienschiffsverbandes von 5 Schiffen.
Die Lage der I. A. Gr., die nunmehr 6 Panzerkreuzern und 5 Linienschiffen
gegenüberstand, konnte kritisch werden. Es kam folglich alles darauf
an, so bald wie möglich die Vereinigung mit ihr herzustellen. Ich
schwenkte deshalb auf Nordkurs zurück. 6,32 Uhr nachmittags kamen
die kämpfenden Linien in Sicht. 6,45 Uhr nachmittags konnten das
III. und I. Geschwader Feuer eröffnen, während der B. d. A.
mit den ihm zugeteilten Streitkräften sich an die Spitze des Gros
stellte. Die leichten feindlichen Streitkräfte drehten sofort nach
Westen und. sobald sie außer Schußbereich waren, nach Norden
ab. Es ist fraglich, ob das Feuer unserer Linienschiffe ihnen in der kurzen
Zeit der Beschießung Abbruch getan hat. Die englischen Panzerkreuzer
schwenkten auf Nordwestkurs. Die "Queen Elizabeths" folgten
in ihrem Kielwasser und übernahmen damit die Deckung der hart mitgenommenen
Kreuzer. Während beide Verbände sich aneinander vorüberzogen,
griff 6,49 Uhr nachm. der Chef der VI. T-Flottille, Korvettenkapitän
Schultz (Max), mit der XI. T-Halbflottille an. Der Erfolg konnte nicht
beobachtet werden. Der nun folgende Gefechtsabschnitt gestaltete sich
zu einem Verfolgungsgefecht. Unsere Aufklärungsstreitkräfte
suchten den feindlichen Schlachtkreuzern, das Gros den "Queen Elizabeths"
auf den Fersen zu bleiben. Hierzu wurde divisionsweise bis auf Nordwestkurs
mit höchster Fahrt auf den Feind zugestaffelt. Den feindlichen Panzerkreuzern
gelang es trotzdem, bald nach 7 Uhr sich dem Feuer der I. A. Gr. zu entziehen.
Auch die "Queen Elizabeths" gewannen derart an vorlicher Stellung,
daß sie nur noch von den Schiffen der I. A. Gr. und der V. Division
unter Feuer gehalten werden konnten. Die Hoffnung, daß eins der
gejagten Schiffe lahmgeschossen dem Gros zum Opfer fallen würde,
erfüllte sich nicht, obgleich gute Feuerwirkung erzielt und 7,30
Uhr nachmittags einwandfrei beobachtet wurde, daß ein Schiff der
"Queen Elizabeth"-Klasse nach mehreren Treffern abdrehte und
sich mit geringer Fahrt und starker Schlagseite nach Feuerlee aus dem
Gefecht zog. Das Sinken des Schiffes ist nicht beobachtet.
Den Schiffen des Gros war es einstweilen nur beschieden, 2 moderne Zerstörer
("Nestor" und "Nomad"), die beim Angriff der IX. T-Flottille
lahm geschossen waren und überholt wurden, zu versenken. Die Besatzungen
wurden zu Gefangenen gemacht.
Als 7,20 Uhr nachmittags auch das Feuer der I. A. Gr. und der Schiffe
der V. Division schwächer zu werden schien, stand die Flottenführung
unter dem Eindruck, daß dem Feind das Entkommen gelinge, und gab
deshalb an den B. d. A. den Befehl und damit für alle Streitkräfte
die Parole: "Die Verfolgung aufnehmen".
Das anfangs klare Wetter war inzwischen weniger sichtig geworden. Der
Wind war von Nordwest über West nach Südwest herumgegangen.
Der Pulver- und Schornsteinrauch klebte auf dem Wasser und benahm von
Norden bis Osten jede Aussicht. Die eigenen Aufklärungsstreitkräfte
waren nur für Augenblicke auszumachen.
Tatsächlich war der B. d. A., als er den Befehl zur Verfolgung erhielt,
von den feindlichen Schlachtkreuzern und leichten Streitkräften bereits
überflügelt und ihrem Drucke nachgebend gezwungen, nach Norden
abzubiegen. Die Meldung, die er herüber machen wollte, konnte er
nicht abgeben, da kurz vorher die Haupt- und Reserve-F.T.-Station seines
Flaggschiffes ("Lützow") infolge eines schweren Treffers
ausgefallen war. Das Nachlassen des Feuers an der Spitze war nur darauf
zurückzuführen, daß die Entfernungsmess- und Beobachtungsmöglichkeit
gegen die untergehende Sonne immer schwieriger und schließlich so
gut wie unmöglich geworden war.
Als daher 7,40 Uhr nachmittags, in richtiger Erkenntnis der Lage, feindliche
leichte Streitkräfte zum Torpedoangriff gegen unsere Panzerkreuzer
ansetzten, blieb dem B. d. A. nichts anderes übrig, als abzustaffeln
und schließlich den Verband nach Südwesten herum zu werfen,
um wieder engeren Anschluß an das Gros zu suchen, weil eine wirksame
Erwiderung des feindlichen Feuers unmöglich war.
4. Der dritte Gefechtsabschnitt:
Die Schlacht
Etwa gleichzeitig begann auch die Spitze des Gros, dem Drucke von vom
nachgebend, in östlicher Richtung abzubiegen.
7,48 Uhr nachmittags wurde deshalb mit Signal-Befehl "Führung
vorn" zur Linie eingeschwenkt und vorübergehend Fahrt auf 15
sm verringert, um den bis dahin mit äußerster Kraft vorgetriebenen
Divisionen die Möglichkeit zu geben, den gelockerten Zusammenhalt
wiederherzustellen.
Während dieser Vorgänge beim Gros war die II. A. Gr. unter Kontreadmiral
Boedicker im Kampf mit einem kleinen Kreuzer der "Calliope"-Klasse,
der in Brand geschossen wurde, kurz vor 8 Uhr nachmittags auf mehrere
kleine Kreuzer der Städte-Klasse und mehrere Linienschiffe, darunter
"Agincourt", gestoßen. Die ganze Stärke des Feindes
war in dem Dunst, der auf dem Wasser lagerte, nicht auszumachen. Die Gruppe
erhielt sofort schweres Feuer, erwiderte das Feuer, schoß Torpedos
und drehte in Richtung auf das eigene Gros ab. Ein Erfolg konnte nicht
beobachtet werden, da zum Schutz der Kreuzer sofort Nebel entwickelt werden
mußte. Trotz des Nebels erhielten "Wiesbaden" und "Pillau"
schwere Treffer. "Wiesbaden", Kommandant Kapitän zur See
Reiß, blieb bewegungsunfähig im feindlichen Feuer liegen.
Der Chef der XII. T-Halbflottille und der Chef der IX. T-Flottille, die
hinter den Kreuzern gestanden hatten, erkannten den Ernst der Lage und
griffen an. Beide wurden von einer Linie zahlreicher Linienschiffe mit
Nordwestkurs unter Feuer genommen und trugen ihre Torpedos (je 6) bis
auf 60 hm an den Feind heran. Auch hier war eine Beobachtung des Erfolges
nicht möglich, da dichte Rauchschwaden den Feind sofort nach dem
Abdrehen der Sicht entzogen. Beide glauben aber einen solchen für
sich in Anspruch nehmen zu dürfen, da sie unter günstigen Bedingungen
angegriffen haben.
Zu dieser Zeit etwa muß sich die Vereinigung des englischen Gros
unter Admiral Jellicoe mit den bisher verfolgten Streitkräften des
Admirals Beatty vollzogen haben.
Als Folge entwickelten sich etwa 8,10 Uhr bis 8,35 Uhr nachmittags an
der Spitze des Gros um die havarierte "Wiesbaden" schwere Kämpfe,
in denen auch die Schiffstorpedowaffe zur Geltung kam.
Aus nord-nord-westlicher Richtung griffen die "Queen Elizabeths"
und vielleicht auch die Schlachtkreuzer Beattys (nach Gefangenenaussagen
scheint es allerdings, als ob sie nach 7 Uhr abends nicht mehr am Kampfe
teilgenommen haben), von Norden her ein neuer Verband von Panzerkreuzern
(3 "Invincibles" und 4 "Warriors") nebst kleinen Kreuzern
und Zerstörern und von Nordosten bis Osten die Linienschiffsgeschwader
des feindlichen Gros an.
Vornehmlich die I. Aufklärungsgruppe und die Spitzenschiffe des III.
Geschwaders hatten den Angriff abzuwehren. In seinem Verlauf wurden die
Panzerkreuzer zu so hartem Abdrehen gezwungen, daß ich mich 8,35
Uhr nachmittags genötigt sah, die Linie durch Gefechtskehrtwendung
nach Steuerbord auf Westkurs umzulegen.
Während des Umlegens der Linie griffen zwei Boote der III. T-Flottille
("G 88" und "V 73") und das Führerboot der I.
T-Flottille ("S 32") an. Der Rest der Boote der III. T-Flottille
hatte, einem Rückrufbefehl des I. F. d. T. folgend, den Angriff abgebrochen.
Den I. F.d.T. hatte zu dem Befehl das Nachlassen des feindlichen Feuers
und damit die Überzeugung veranlaßt, daß der Feind abgedreht
sei und daß die Flottille, die bei der weiteren Entwicklung der
Schlacht notwendig gebraucht werden würde, ins Leere stieße.
Die Boote der übrigen Flottillen waren infolge der Stauchung der
Spitze nicht imstande anzugreifen. Ein Teil (IX. und VI. T-Flottille)
kehrte gerade von dem 8-Uhr-Angriff zurück.
Unmittelbar nach dem Umlegen der Linie verstummte das feindliche Feuer
vorübergehend, zum Teil, weil der von den Torpedobooten zum Schutze
der Linie, insbesondere der Panzerkreuzer, entwickelte Rauch dem Gegner
die Sicht benahm, hauptsächlich aber wohl wegen der empfindlichen
Verluste, die der Feind erlitten hatte. An sicheren Verlusten (gesunken)
wurden beobachtet: Ein Schiff der "Queen Elizabeth"-Klasse (Namen
unbekannt), ein Schlachtkreuzer ("Invincible"), zwei Panzerkreuzer
("Black Prince" und "Defence"), ein Kleiner Kreuzer
und zwei Zerstörer (einer davon gezeichnet 04.). Schwer beschädigt,
zum Teil in Brand geschossen, wurden: Ein Panzerkreuzer ("Warrior",
später gesunken), drei Kleine Kreuzer, drei Zerstörer. Auf unserer
Seite war nur "V 48" gesunken, "Wiesbaden" manövrierunfähig
und "Lützow" so schwer beschädigt, daß der B.
d. A. sich gezwungen sah, das Schiff etwa 9 Uhr abends im feindlichen
Feuer zu überlassen und auf "Moltke" umzusteigen.
Die Führung der I. A. Gr. ging damit bis 11 Uhr abends auf den Kommandanten
"Derfflinger" (Kapitän zur See Hartog) über. Auch
die übrigen Panzerkreuzer und die Spitzenschiffe des III. Geschwaders
hatten gelitten, hielten aber ihren Platz in der Linie.
Nachdem der Feind das Feuer gegen unsere West steuernde Linie hatte abbrechen
müssen, warf er sich auf die bereits schwer beschädigte "Wiesbaden".
Das Schiff wehrte sich, wie deutlich zu beobachten war, tapfer gegen die
erdrückende Übermacht. Den Nachtmarsch anzutreten war es noch
zu früh. Der Feind hätte uns noch vor dem Dunkelwerden nach
seinem Willen stellen, die Freiheit des Entschlusses nehmen und schließlich
den Rückweg in die Deutsche Bucht verlegen können. Dem vorzubeugen,
gab es nur ein Mittel: dem Gegner durch einen nochmaligen rücksichtslosen
Vorstoß einen zweiten Schlag zu übersetzen und die Torpedoboote
mit Gewalt zum Angriff zu bringen. Das Manöver mußte den Feind
überraschen, seine Pläne für den Rest des Tages über den
Haufen werfen und, wenn der Stoß wuchtig ausfiel, das Loslösen
für die Nacht erleichtern. Daneben gewährte es die Möglichkeit,
einen letzten Versuch zu machen, der schwer bedrängten "Wiesbaden"
Hilfe zu bringen und wenigstens die Besatzung zu bergen. Dementsprechend
wurde 8,55 Uhr nachmittags die Linie abermals nach Steuerbord auf Ostkurs
herumgeworfen, den Panzerkreuzern befohlen, unter vollem Einsatz auf die
Spitze des Feindes zu operieren, allen T-Flottillen Befehl zum Angriff
gegeben und dem I. F. d. T. Kommodore Michelsen Weisung erteilt, die "Wiesbaden"-Besatzung
durch Torpedoboote bergen zu lassen. Die sich aus dieser Bewegung entwickelnde
Schlacht zeigte sehr bald ein Bild ähnlich dem 8,35 Uhr nachmittags,
nur daß die Stauchung der Spitze noch stärker wurde. Die zur
"Wiesbaden" entsandten Boote mußten den Versuch, die Besatzung
zu retten, aufgeben. "Wiesbaden" und die vorgehenden Boote lagen
in so schwerem Feuer, daß der Flottillenchef den Einsatz seiner
Boote für aussichtslos hielt. Im Abdrehen feuerten "V 73"
und "G 88" insgesamt 4 Torpedos gegen die "Queen Elizabeths".
Das gegen die Linie gerichtete Feuer des Feindes vereinigte sich vornehmlich
auf die Panzerkreuzer und die V. Division. Die Schiffe litten um so schwerer,
als sie vom Feinde wenig mehr als das Aufblitzen der Salven sehen konnten,
selbst aber anscheinend gute Ziele boten. Ganz besonders das Verhalten
der Panzerkreuzer verdient höchste Anerkennung: Selbst in dem Gebrauch
ihrer Waffen durch Verluste erheblich herabgesetzt, zum Teil schwer havariert,
gingen sie rücksichtslos, dem erhaltenen Befehl entsprechend, gegen
den Feind vor.
Ebenso anerkennenswert ist die Führung des III. Geschwaders (Chef
Kontreadmiral Behncke) und das Verhalten der Schiffe der V. Division.
Sie und die Panzerkreuzer trugen die Last des Kampfes und ermöglichten
dadurch den wirkungsvollen Einsatz der T-Flottillen. Als erste griffen
die vorn bei den Kreuzern stehenden Boote der VI. und IX. T-Flottille
an. Ihnen folgten vom Gros aus die III. und die V. T-Flottille.
Die II. T-Flottille hielt der II. F. d. T. zunächst zurück,
um sie nicht hinter der VI. und IX. ins Leere stoßen zu lassen;
der Verlauf hat die Maßnahme gerechtfertigt. Die I. T-Halbflottille
und einzelne Boote der VI. und IX. T-Flottille waren mit der Deckung der
havarierten "Lützow" beschäftigt. Zum Ansatz der aufmarschierenden
VII. T-Flottille fand sich keine Gelegenheit mehr. Die VI. und die IX.
T-Flottille nahmen im Anlauf das bis dahin auf die Panzerkreuzer gerichtete
schwere feindliche Feuer auf sich, trugen den Angriff bis auf 70 hm gegen
die Mitte einer im Kreisbogen OSO bis S steuernden, mehr als 20 Großkampfschiffe
umfassenden Linie heran und kamen unter günstigen Bedingungen zum
Schuß. Im Angriff erhielt "S 35" einen schweren Treffer
mittschiffs und sank sofort. Alle übrigen Boote kehrten zurück
und legten im Ablaufen zum Schutz der bedrängten Spitze einen dichten
Rauchschleier zwischen Feind und eigenes Gros.
Mit dem Ansatz der T-Flottillen war der Zweck des Stoßes erreicht.
Die Linie wurde deshalb 9,17 Uhr nachmittags durch Gefechtskehrtwendung
zunächst auf West-Kurs umgelegt und dann durch Schwenkung auf südwestlichen,
südlichen und schließlich südöstlichen Kurs herumgeholt,
um der umfassenden Bewegung des Feindes, dessen Spitze bereits SO peilte,
zu begegnen und uns den Rückweg offenzuhalten. Das feindliche Feuer
verstummte sehr bald nach der Kehrtwendung. Der Feind muß auf den
Angriff der VI. und IX. T-Flottille hin abgedreht sein: Die III. und V.
T-Flottille fanden nur noch leichte Streitkräfte und damit keine
Gelegenheit zum Angriff. Die Verluste des Gegners können für
diesen Gefechtsabschnitt nicht angegeben werden. Bisher ist nur bekannt
geworden, daß "Marlborough" einen Torpedotreffer erhalten
hat. Es darf mit Sicherheit angenommen werden, daß weitere Erfolge
erzielt sind.
Auch unsere Panzerkreuzer und die Spitzenschiffe des III. Geschwaders
hatten schwer gelitten. Trotzdem waren alle Schiffe in der Lage, die für
die Nachtfahrt erforderliche hohe Geschwindigkeit (16 sm) und damit ihren
Platz in der Linie zu halten. Selbst "Lützow" konnte, als
sie gegen 9,30 Uhr abends querab vom Flottenflaggschiff zuletzt gesehen
wurde, noch mittlere Fahrt laufen.
5. Der Nachtmarsch und die Nachtkämpfe
Durch die Meldungen der T-Flottillen über die Stärke des gesichteten
Feindes war es zur Gewißheit geworden, daß wir uns im Kampfe
mit der ganzen englischen Flotte befunden hatten.
Es war mit Sicherheit zu erwarten, daß der Feind versuchen würde,
uns während der Dämmerungsstunden mit starken Streitkräfte
und während der Nacht durch Zerstörerangriffe nach Westen abzudrängen,
um uns bei Hellwerden zur Schlacht zu stellen. Die Macht dazu besaß
er. Gelang es, die feindliche Umfassung zum Stehen zu bringen und Hornsriff
vor dem Feinde zu erreichen, so blieb uns die Freiheit des Entschlusses
für den nächsten Morgen gesichert.
Dies zu ermöglichen, mußten alle Flottillen für die Nacht
zum Angriff angesetzt werden, auch auf die Gefahr hin, daß sie bei
Tagesanbruch bei den zu erwartenden neuen Kämpfen fehlen sollten.
Das Gros selbst mußte in geschlossenem Verbande auf dem nächsten
Wege Hornsriff ansteuern und diesen Kurs, allen Angriffen des Feindes
trotzend, durchhalten.
Dementsprechend wurde befohlen. Gleichzeitig erteilte der F. d. U. den
auf Borkum-Reede befindlichen U-Booten Befehl, nach Norden vorzustoßen.
Die Führer der Torpedobootsstreitkräfte setzten die T-Flottillen
in Richtung Ost-Nord-Ost bis Süd-Süd-West an, das heißt
dorthin, wo das Nachdringen des feindlichen Gros erwartet werden mußte.
Eine große Zahl von Booten hatte die Torpedos bereits in der Tagschlacht
verschossen; einige waren zum Schutze der schwer havarierten "Lützow"
zurückgelassen; einige behielten die F. d. T. bei sich, um im Bedarfsfalle
etwas zur Verfügung zu haben. Diesem Entschluß war späterhin
die Bergung der Besatzungen "Elbing" und "Rostock"
zu danken. Zum Angriff gingen somit nur die II., V., VII. und Teile der
VI. und IX. T-Flottille vor. Die Boote haben verschiedentlich Nachtgefechte
mit leichten feindlichen Streitkräften gehabt; vom Gros haben sie
nichts gefunden. "L 24" hat bei Hellwerden einen Teil des Gros
in der Jammerbucht gesichtet. Der Feind hatte sich also nach der Schlacht
nach Norden entfernt. Die II. T-Flottille, der der nördlichste Teil
des Sektors zugewiesen war, wurde von Kreuzern und Zerstörern abgedrängt
und kehrte um Skagen herum zurück. Dieser Weg war ihr vom II. F.
d. T. freigestellt. Die übrigen T-Flottillen sammelten mit Hellwerden
auf das Gros. Das Gros hatte vor völligem Dunkelwerden noch einen
kurzen, aber ernsthaften Zusammenstoß mit dem Feind. Während
die I. und 11. A. Gr. sich vor die Spitze zu setzen versuchten, erhielten
sie 10,20 Uhr nachmittags aus südöstlicher Richtung schweres
Feuer. Vom Feinde war nur das Aufblitzen der Salven zu sehen. Die bereits
stark havarierten Schiffe erhielten neue Treffer, ohne das Feuer ernstlich
erwidern zu können. Sie drehten daher ab und schoben sich zwischen
dem II. und I. Geschwader hindurch nach Feuerlee.
Die Spitze des I. Geschwaders folgte der Bewegung der Kreuzer, während
das II. Geschwader (Chef Kontreadmiral Mauve) durchhielt und so das Feuer
des Feindes auf sich nahm. Als das II. Geschwader erkannte, daß
die Beleuchtungsverhältnisse ein Erwidern unmöglich machten,
staffelte es ab, um den Feind näher an das I. Geschwader heranzuziehen.
Der Feind folgte nicht, sondern stellte das Feuer ein. Etwa gleichzeitig
hatte die IV. A. Gr. (Führer Kommodore v. Reuter) unter ganz gleichen
Verhältnissen ein kurzes Gefecht mit 4-5 Kreuzern, darunter Schiffen
der "Hampshire"-Klasse. Mit Rücksicht darauf, daß
hauptsächlich die Spitze des Gros die Angriffe des Feindes abzuwehren
haben würde, und um mit Tagesanbruch vorn stark zu sein, wurde das
II. Geschwader nach hinten genommen; der I. A. Gr. wurde die Rückendeckung,
der II. A. Gr. die Vorhut und der IV. A. Gr. die Steuerbord-Seitendeckung
übertragen. Die Linienschiffsgeschwader marschierten danach in der
Reihenfolge: I. Geschwader, Flottenflaggschiff, III. Geschwader, II. Geschwader;
das I. und III. Geschwader im Kehrt. Die Führung der Linie hatte
"Westfalen" (Kommandant Kapitän zur See Redlich). Während
der Nacht griff der Feind in fast ununterbrochener Folge von Osten her
mit leichten und zum Teil auch schweren Streitkräften an. II. und
IV. A. Gr. und vor allem die Schiffe des I. Geschwaders (Chef Vizeadmiral
Schmidt) hatten die Angriffe abzuwehren. Der Erfolg war ausgezeichnet.
In gänzlicher Verkennung der Lage näherte sich 2 Uhr vormittags
ein Panzerkreuzer der "Cressy“-Klasse (Name nicht ausgemacht) den
Schlußschiffen des I. Geschwaders und dem Flottenflaggschiff auf
etwa 1500 m. Er wurde in wenigen Sekunden in Brand geschossen und sank
4 Minuten nach dem Feuereröffnen unter gewaltigen Detonationen. Nach
vorsichtiger Schätzung sind während der Nacht 1 Panzerkreuzer,
1 Kleiner Kreuzer und 7 Zerstörer vernichtet, mehrere Kleine Kreuzer
und Zerstörer schwer beschädigt. Auf unserer Seite fielen "Frauenlob",
"Pommern" und "V 4"; "Rostock" und "Elbing"
mußten aufgegeben und gesprengt werden. "Frauenlob" (Kommandant
Fregattenkapitän Hoffmann ) erhielt 12,45 Uhr nachts im Laufe eines
Gefechts der IV. A. Gr. mit 4 Kreuzern der Städteklasse einen Torpedotreffer.
Nach Aussage einiger weniger Überlebender ist sie bald darauf, bis
zum Untergang kämpfend, gesunken.
"Pommern" (Kommandant Kapitän zur See Bölken) wurde
4,20 Uhr vormittags von einem Torpedo getroffen und flog unter gewaltiger
Detonation in die Luft.
"V 4" lief 4,50 Uhr vormittags auf eine feindliche Mine. Die
Besatzung konnte geborgen werden. "Rostock" und "Elbing"
gerieten 1,30 Uhr vormittags Backbord querab von der Spitze des I. Geschwaders
in ein Gefecht mit Zerstörern, mußten schließlich vor
den Torpedos des Feindes abwenden und durch die Linie des I. Geschwaders
durchbrechen, um das Feuer der Linienschiffe nicht zu behindern. Hierbei
erhielt "Rostock" einen Torpedotreffer, während "Elbing"
mit "Posen" kollidierte.
Beide Kreuzer wurden manövrierunfähig. "Rostock" hielt
sich noch bis 5,45 Uhr vormittags und wurde dann beim Insichtkommen feindlicher
Kreuzer gesprengt, nachdem die ganze Besatzung, einschließlich Verwundeter,
von Booten der III. T-Flottille geborgen war. Auch die "Elbing"-Besatzung
wurde von einem Boot der III. T-Flottille übergenommen. Nur der Kommandant,
der I. O. und T. O. mit einer Kutterbesatzung blieben an Bord, um das
Schiff so lange wie möglich zu halten. Als 4 Uhr vormittags feindliche
Streitkräfte in Sicht kamen, mußte auch "Elbing"
gesprengt werden. Der Rest der Besatzung rettete sich im Kutter, wurde
später von einem holländischen Fischdampfer aufgenommen und
ist über Holland zurückgekehrt. "Lützow" wurde
bis 3,45 Uhr vormittags über Wasser gehalten. Das Schiff wurde zuletzt
über den Achtersteven gesteuert. Alle Versuche, das eindringende
Wasser zum Stehen zu bringen, waren vergeblich. Das Vorschiff hatte zu
stark gelitten. Schließlich waren etwa 7000 t Wasser im Schiff.
Die Back war bis zum Knopf des Göschstockes überspult. Die Schrauben
schlugen aus dem Wasser. Das Schiff mußte aufgegeben werden. Die
Besatzung, einschließlich aller Verwundeten, wurde von den Booten
"G 40", "G 37", "G 38" und "V 45"
übergenommen und "Lützow" durch einen Torpedoschuß
versenkt.
Die 4 Boote hatten insgesamt 1250 Mann von "Lützow" an
Bord. Sie stießen zweimal auf feindliche Kreuzer und Zerstörer,
griffen beide Male unter Führung des ältesten Kommandanten,
Kapitänleutnant Beitzen (Richard), an und bahnten sich mit Erfolg
den Weg in die Deutsche Bucht. Bei dem letzten Gefecht erhielt "G
40" einen Treffer in die Maschine und mußte geschleppt werden.
Als Meldung hierüber beim Gros einging, machte der II. F. d. T. mit
"Regensburg" kehrt und nahm den Schleppzug auf.
"S 32", Führerboot der I. T-Flottille, Kommandant Kapitänleutnant
Froelich, erhielt 1 Uhr vormittags einen schweren Treffer in den Kesselraum
und war vorübergehend manövrierunfähig. Es gelang dem Kommandanten
jedoch, die Kessel mit Seewasser speisend, das Boot bis in die dänischen
Hoheitsgewässer zu bringen. Von dort wurde es dann von ausgesandten
Torpedobooten durch das Nordmannstief eingeschleppt.
6. Die Lage am 1. Juni morgens
Während der Nacht waren L 11, L 13, L 17, L 22 und L 24 zur Frühaufklärung
aufgestiegen.
L 11 meldete 5,10 Uhr vormittags einen Verband von 12 englischen Linienschiffen,
zahlreichen leichten Streitkräften und Zerstörern mit nördlichem
Kurs etwa auf der Mitte der Linie Terschelling-Hornsriff und gleich darauf
6 feindliche Großkampfschiffe und 3 Schlachtkreuzer nördlich
von diesem Verband. Das Luftschiff wurde stark beschossen, hielt aber
Fühlung. Der Feind drehte bald nach dem Sichten nach Westen ab und
kam in unsichtigem Wetter aus Sicht. L 24 sichtete 4 Uhr vormittags 50
sm westlich Bovberg eine Flottille feindlicher Zerstörer und etwa
6 U-Boote, wurde beschossen und erwiderte das Feuer mit Bombenangriffen,
klärte alsdann weiter nach Norden auf und fand 5 Uhr vormittags in
der Jammerbucht einen Verband von 12 Großkampfschiffen und zahlreichen
Kreuzern, die mit hoher Fahrt Süd steuerten. Fühlung halten
und weiteres Aufklären waren nicht möglich, da die Wolkendecke
bis auf 800 m hinabreichte. Beim Gros selbst war bei Tagesanbruch nichts
vom Feinde zu sehen. Das Wetter war so unsichtig, daß kaum eine
Geschwaderlänge zu übersehen war.
Die von den Panzerkreuzern eingegangenen Meldungen zeigten, daß
die I. A. Gr. ein ernstliches Gefecht nicht mehr führen konnte. Auch
die Spitzenschiffe des III. Geschwaders mußten an Gefechtskraft
verloren haben. Von den schnellen kleinen Kreuzern standen nur noch "Frankfurt",
"Pillau" und "Regensburg" zur Verfügung. Mit
weiterer Luftschiffaufklärung war bei dem unsichtigen Wetter nicht
zu rechnen. Es war somit aussichtslos, den im Süden gemeldeten Feind
regelrecht zu stellen. Der Zusammenstoß und seine Folgen wären
dem Zufall überlassen gewesen. Ich sah deshalb von weiteren Operationen
ab und gab den Befehl zum Einlaufen. Auf dem Rückmarsch stieß
"Ostfriesland" westlich List auf eine zu einer bis dahin unbekannten,
offenbar erst unlängst ausgelegten feindlichen Sperre gehörige
Mine. Das Schiff lief unter eigenem Dampf in den Hafen. Mehrere U-Boots-Angriffe
auf unser einlaufendes Gros blieben erfolglos, zum Teil dank der Aufmerksamkeit
der Flieger, die das Gros in Höhe von List aufnahmen und bis zu den
Flußmündungen geleiteten. Alle Schiffe und Boote liefen im
Laufe des Tages in die Flußmündungen ein. Besonderer Erwähnung
bedarf das Einbringen der schwer havarierten "Seydlitz" (Kommandant
Kapitän zur See von Egidy). Daß das Schiff den Hafen erreicht
hat, ist eine hervorragende Seemännische Leistung des Kommandanten
und der Besatzung.
Die aus der Ems auslaufenden U-Boote erhielten Befehl, "Elbing"
und havarierte Schiffe des Feindes zu suchen. Den vor den englischen Häfen
auslegenden U-Booten wurde aufgegeben, wenn irgend möglich, noch
einen Tag länger auf Station zu bleiben. "U 46" stieß
6,20 Uhr nachmittags etwa 60 sm nördlich von Terschelling auf ein
havariertes Schiff der "Iron-Duke"-Klasse ("Marlborough"),
Der gefeuerte Torpedo verfehlte das Ziel. Von den vor den feindlichen
Hafen ausliegenden U-Booten hat "UB 21" am 31. Mai und "U
52" am 1. Juni je einen Treffer gegen einen Zerstörer erzielt.
Das Sinken konnte in beiden Fällen wegen der feindlichen Gegenwirkung
nicht beobachtet werden.
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